Kopiert aus dem Weser Kurier vom 22.01.2014 von Tobias Meyer.
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Ein zweites Leben für Weihnachtsbäume: Auf dem Lucie-Flechtmann-Platz
haben Mitglieder des Vereins „Ab geht die Lucie“ und Stadtteilbewohner
am Sonnabend den „NeuStadtWald“ angelegt. Bis sie ihr grünes Kleid
verlieren, sollen die Tannen nun die Fläche an der Westerstraße
schmücken.
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Foto: Picasa, Tobias Meyer |
Bereits im vergangenen Jahr wollten die „Lucies“ ihren
eigenen kleinen Park aus Weihnachtsbäumen aufstellen, sammelten die
ausrangierten Tannen und verteilten sie auf dem Lucie-Flechtmann-Platz.
Die Arbeit war groß – doch die Freude währte nicht lang: Bereits nach
drei Tagen verschwanden die Bäumchen wieder von der Bildfläche, weil die
Mitarbeiter der Entsorgungsbetriebe wohl dachten, es handele sich um
eine besonders große Sammelstelle – und die Tannen pflichtbewusst
mitnahmen.
In diesem Jahr soll das anders werden: Bereits am
Freitagabend zimmerten ein paar Anwohner auf ihrem Platz, der seit 2013
im Rahmen des Urban-Gardening-Projekts genutzt und seitdem fortwährend
begrünt wird. Jetzt, an diesem Sonnabendmittag, ist es relativ grau: in
den Beeten der Holzkästen steckt nur etwas Geäst, für Blumen ist es noch
zu kalt. Eva Kirschenmann kniet ganz hinten auf der Fläche vor dem
Vereinscontainer, den Hammer in der einen, einen kleinen Tannenbaum in
der anderen Hand. Stück für Stück schlägt sie einen Nagel durch eine am
Boden liegende Holzplanke, bis dieser das Holz durchdrungen und sich von
unten in den Baumstamm gebohrt hat. Eine wacklige Konstruktion, die
nicht lange hält: sobald sie das Bäumchen loslässt, fällt es um. Also
muss noch eine Holzlatte her, und noch ein Bäumchen, und am Ende stehen
drei Tannen in einem Dreieck zueinander. „Passt“, sagt Kirschenmann und
wackelt noch einmal an der Konstruktion. Passt.
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Foto: Picasa, Tobias Meyer |
Doch
die Verstärkung ist schon auf dem Weg: Mette Asmussen kommt mit
Akkubohrer auf dem Fahrrad, in dessen Anhänger ihr Weihnachtsbaum liegt.
Ein Prachtexemplar, schön gewachsen, noch immer volle Nadelpracht – und
das, obwohl er bis gestern noch im Wohnzimmer der Familie stand. Viel
zu schade zum Wegschmeißen, befand die vierjährige Tochter Jenne, aber
ihre Mutter konnte den Baum trotz seiner Ästhetik knapp einen Monat nach
Weihnachten auch nicht mehr so wirklich sehen, da kam die Gelegenheit
ganz passend. „Meine Tochter konnte sich nur von dem Baum trennen, weil
sie wusste, dass er hierher kommt“, sagt Asmussen, die nur ein paar
Straßen weiter wohnt. Der Baum bleibt also in Sichtweite.
Mittlerweile,
um kurz nach 15 Uhr, ist schon gut was los auf dem Platz: Kirsten
Tiedemann, Anwohnerin aus der Neustadt, zieht Bäume über den Platz in
die eine Ecke; Günter Knobloch hämmert seine Tannen fest an die
Holzkästen in der anderen Ecke. Zu tun gibt es genug, denn Anwohner und
Unterstützer sind dem vorausgegangenen Aufruf gefolgt und haben allerlei
Weihnachtsbäume auf den Platz geschleppt, mehr als 40 sind es bestimmt,
vielleicht sogar noch mehr. An manchen klebt noch das Lametta, andere
sehen schon etwas lädiert aus – ihnen wurde die Spitze abgesägt,
manchmal sogar mehr: „Offenbar hat der Baum nicht durch die Tür
gepasst“, sagt Eva Kirschenmann und hält lachend ein völlig
verkrüppeltes Exemplar in die Luft; ein schmaler Baum, an dessen Stamm
nur noch ein paar abgeschnittene Äste daran erinnern, dass es sich bei
dem braun-grünen Etwas einmal um einen Weihnachtsbaum gehandelt haben
muss. Aber hier und heute, auf dem Lucie-Flechtmann-Platz, werden keine
Unterschiede gemacht: Jeder Baum kann Mitglied des „NeuStadtWald“
werden.
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Foto: Walter Gerbracht |
Die
Aktiven drücken derweil die Daumen, dass das Werk von zwei Tagen Arbeit
zum einen den nächsten Sturm, zum anderen den offiziellen Abholtag
übersteht. Wobei: „Um eine Entsorgung haben wir uns bislang noch nicht
gekümmert“, gibt Kirschenmann zu. Aber egal, jetzt sind die Bäume noch
grün und geben dem Platz etwas Farbe. „Und wenn sie dann irgendwann
abgenadelt sind, können wir sie bestimmt noch für etwas anderes
verwenden“, sagt die 28-Jährige. Als Feuerholz zum Beispiel. Und wer
weiß, vielleicht wird so aus den einst leuchtenden Weihnachtsbäumen ja
dann noch ein flammendes Osterfeuer.
Das
regelmäßige offene Plenum findet am Montag, 26. Februar, ab 18.30 Uhr
statt. Die nächste Veranstaltung auf dem Lucie-Flechtmann-Platz ist für
Sonntag, 1. Februar, geplant: Dann bietet der Verein „Ab geht die Lucie“
ab 15 Uhr ein Urban-Gardening-Seminar an.