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Weser Kurier:
von Karin Mörtel, erschienen am 24.11.2016
Sozialarbeit gegen Probleme mit Trinkern
Beirat finanziert Pilotprojekt für Szenetreffs an Lucie-Flechtmann-Platz und Hochschule Bremen
Alte Neustadt. Ihre Hunde bellen Passanten an, sie hinterlassen ganze Berge von Müll, gelegentlich prügeln sie sich oder schreien in den späten Abendstunden betrunken herum. Nicht immer kommt es zu solchen Zwischenfällen, aber Anwohner der beiden großen Szenetreffs alkoholkranker Menschen in der Alten Neustadt beschweren sich, dass es immer schlimmer wird. Schwierigkeiten gibt es besonders an der Große Johannisstraße hinter der Hochschule sowie auf dem Lucie-Flechtmann-Platz. Ab Anfang kommenden Jahres soll sich daran nun etwas ändern. Bereits im Sommer versuchte, wie berichtet, die Stadtgärtner-Initiative „Ab geht die Lucie“, eine Spielplatzregelung auf dem Lucie-Flechtmann-Platz durchzusetzen. Ziel war ein Alkoholverbot von morgens bis abends, damit die ausufernden Gelage der dortigen Trinker nicht länger das gute Miteinander auf dem Platz gefährden können. Doch das ist nun vom Tisch, weil solch eine Regelung nur dort greifen kann, wo die betroffene Fläche tatsächlich auch als Spielplatz ausgewiesen ist. Die häufige Anwesenheit von Kindern sowie eine improvisierte Spiellandschaft reichen dazu offenbar nicht aus. Das hätten jüngst Fachleute der Innenbehörde während eines runden Tisches zu dem Thema erklärt, berichtet Ortsamtsleiterin Annemarie Czichon.
Nun will der Neustädter Beirat mit Sozialarbeit die Probleme auf der „Lucie“ und an der Hochschule Bremen anpacken. Etwa 6500 Euro stellt das Neustädter Stadtteilparlament zu diesem Zweck der Inneren Mission für Honorarstunden zur Verfügung.
Revierleiter Volkmar Sattler warb während der vorangegangenen Diskussion beim Beirat dafür, diese professionelle Hilfe zu beauftragen: „Unser Kontaktpolizist ist fast täglich vor Ort, aber alleine kommt er da nicht weiter“, so der Revierchef.
Die Initiative „Ab geht die Lucie“ setzt große Hoffnungen in die Sozialarbeit. „Wir haben festgestellt, dass wir Laien das Problem so nebenher nicht lösen können. Dass das nun professionell angegangen wird, begrüßen wir sehr“, sagt Victoria Klemm von der Initiative auf Nachfrage. Aus Sicht der Stadtgärtner sei es keine dauerhafte Lösung, die Trinkerszene immer nur von einem Ort an den anderen zu verdrängen. „Uns geht es ausschließlich darum, wieder ein gutes Miteinander auf dem Platz zu finden, damit sich hier auch Eltern mit Kindern wieder wohlfühlen können“, so die Stadtgärtnerin. Ein friedliches Nebeneinander hätten bereits die konfliktärmeren Anfangsjahre gezeigt.
„Die Trinker waren zuerst auf dem Platz“, weiß auch Czichon zu berichten. Das bedeute allerdings nicht, dass sie nicht auf weitere Nutzer des Platzes Rücksicht nehmen müssten. „Das sind die Schwächsten unserer Gesellschaft, denen wir einen Gesprächspartner an die Seite stellen wollen, denn auch diese prekären Gruppen haben einen Platz in unserer Gesellschaft verdient“, appellierte Johannes Osterkamp (Grüne) für die Finanzierung des Streetworker-Projektes.
Keine Vertreibung, sondern Konfliktlösung, genau darum ginge es auch der Inneren Mission bei ihrer Arbeit mit Szenetreffs, erläutert Bertold Reetz auf Nachfrage. Der Abteilungsleiter der Wohnungslosenhilfe des Vereins betont: „Diese Lösung kann zwar beinhalten, dass ein anderer Treffpunkt gefunden wird, aber auch das muss einvernehmlich mit den Betroffenen geschehen.“ Im Grunde genommen ginge es darum, zunächst einmal Vertrauen für die weitere Arbeit aufzubauen. „Das bedeutet konkrete Hilfe für diese Menschen, die in vielfältigen Problemlagen stecken“, so Reetz. Das kann die Unterstützung gegen eine Räumungsklage sein, Hilfe bei Formularen oder etwas ganz anderes. Etwa ein halbes Jahr könne eine Honorarkraft mit dem Geld wöchentlich acht Stunden vor Ort sein, schätzt er. Die Einarbeitung könne der erfahrene Sozialarbeiter Jonas Pot d‘Or übernehmen, der im Bremer Westen sehr erfolgreich mit Suchtkranken arbeite.
Einigkeit herrschte in weiten Teilen des Beirates darüber, dass die Finanzspritze aus den Globalmitteln maximal ein Auftakt sein darf. „Es ist eine pragmatische Lösung aus dem Beirat, weil von der Stadt zunächst kein Geld dafür zu erwarten ist“, begründete Beiratssprecher Jens Oppermann (SPD) seine Ja-Stimme für das Projekt. Es sei die Gelegenheit, den Nutzen aufzuzeigen, um starke Argumente für eine Weiterfinanzierung durch die Stadt zu sammeln, „sonst nehmen wir unsere Verantwortung im Stadtteil nicht wahr“, sagte Oppermann.
Doch es gab auch Gegenwind von Beiratskollegen. Zwar gab es Zustimmung von allen Fraktionen, dass den Trinkern die Hand gereicht werden müsse, doch das Geld dafür solle von der Stadt kommen und nicht vom Beirat, argumentierten Redner von Linkspartei, Piraten, FDP und CDU. Conny Rohbeck (SPD) ist da ganz anderer Meinung gewesen, die sich mehrheitlich im Beirat auch durchsetzte: „Unsere Globalmittel sind städtisches Geld und genau solch ein Projekt brauchen wir jetzt. Und da ist es genau das Richtige, das zu finanzieren.“